Eine Welt ohne fossile Brennstoffe? Für Patrick Pouyanne ist das in näherer Zukunft undenkbar. „Wir können die fossilen Energien nicht aufgeben“, sagt der TotalEnergies-Chef im Interview mit WirtschaftsWoche-Redakteurin Sonja Alvarez bei der Konferenz Europe 2024 von Handelsblatt, WirtschaftsWoche, ZEIT und Tagesspiegel.
Dabei ist seit Jahrzehnten klar, dass Öl- und Gaskonzerne wie der französische Konzern TotalEnergies in Europa eine entscheidende Rolle spielen müssen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern. Wenn sie ihre Produktion nicht drosseln, ist es unmöglich, die Erderwärmung aufzuhalten. Trotzdem stärkt TotalEnergies nicht nur das Geschäft mit emissionsarmen Energiequellen, sondern auch das Geschäft mit Öl und Gas. „Das ist keine Entweder-oder-Frage“, sagt Pouyanne. Ein Umstieg könne nicht so schnell gewährleistet werden, weswegen weiterhin in beide Sparten investiert wird.
Trotzdem will der Konzern ein Drittel seiner Investitionen für längerfristige Anlagegüter in emissionsarme Projekte stecken. Bis 2030 will TotalEnergies 100 Gigawatt Strom erzeugen, um die Nummer fünf der globalen Stromerzeuger zu werden. In Deutschland investiert TotalEnergies zusammen mit BP 12,6 Milliarden Euro in den Bau von vier riesigen Windparks in der Nord- und Ostsee. Gleichzeitig reduziert der Konzern sein fossiles Geschäft dezent. Im letzten Frühjahr wurden die knapp 1600 konzerneigenen Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden verkauft. Auch an dem Ziel, alle Emissionen bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren, hält TotalEnergies fest.
Es sei ein bestimmtes Tempo notwendig, um von System A, einer karbonisierten Welt, zu System B, der Dekarbonisierung, überzugehen. „Wir müssen ein Dekarbonisierungssystem aufbauen“, so Pouyanne auf der Konferenz. „So lange wir das neue System noch nicht haben, können wir unser derzeitiges System nicht einfach beenden“.
Während dieses Übergangs wird auch weiter Gas aus Russland in die EU importiert. Zwar hat die Europäische Union ihre Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine 2022 deutlich vermindert. Nach Angaben der EU-Kommission führte die EU 2021 rund 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland ein, 2023 waren es noch 43 Milliarden Kubikmeter. Damit verringerte sich der Anteil russischer Lieferungen am EU-Gesamtbedarf von 45 auf zuletzt 15 Prozent. „Ein harter Cut bei den letzten Einfuhren ist jedoch nicht möglich“, so Pouyanne. Die Alternativen würden fehlen. „Wenn wir aufhören, russisches Gas zu beziehen, stehen wir erneut vor großen Problemen und noch höheren Gaspreisen“. Allerdings würden auf der ganzen Welt neue Energieanlagen gebaut werden, bis 2027 gäbe es vielleicht genug Kapazitäten, um die Gaslieferungen aus Russland einzustellen.
Unabhängig von Russland ist ein Rückgang der Gaspreise nicht zu erwarten. Der Angriff der Huthi-Rebellen im Roten Meer führt bei TotalEnergies dazu, dass das Unternehmen eine alternative Route um Afrika nehmen muss, die insgesamt vier Tage länger dauert. „Wenn der Konflikt in Gaza weiter andauert, könnte es sein, dass die Preise noch mal steigen werden“, so Pouyanne. „Die Preise werden sich erst mit einem Frieden entspannen“. Abhilfe könnte eher dadurch geschaffen werden, dass Systeme entwickelt werden, um Energie zu sparen und effizienter zu nutzen.
Lesen Sie auch: Drehen Shell, Total und BP ihr Geschäftsmodell wirklich auf Öko?